dieMacher :: Das europäische KI-Paradox

In der Juni Ausgabe von DIE MACHER schreibt Redakteur Valentin Lischka über das europäische KI Paradox.

Ein Auszug:
Wissenschaftliche Fortschritte werden in Europa oft nicht wirtschaftlich verwertet – und landen stattdessen zuerst bei der Konkurrenz in Asien oder den USA. „European Paradox“ nennt sich dieses Phänomen, das im KI-Bereich besonders stark auftritt. Die langfristige Folge: die Gefahr eines gewaltigen Wohlstandsverlustes. Welche Gründe gibt es für das Paradox – und wie kann das Problem gelöst werden?

Auch Michael Haslgrübler, Area Manager im Bereich „Perception and Aware Systems“ bei Pro²Future, sieht das europäische Mindset als Erklärung für das Problem. „Wir tun uns hier in Europa schwer mit der Transition von wissenschaftlichen Ergebnissen zu vermarktbaren Innovationen, weil es an Risikokultur mangelt“, sagt er. Bestes Beispiel sei OpenAI mit ChatGPT. „Milliarden an Geldern sind dort vorab geflossen, ohne zu wissen, ob man irgendwas zurückbekommt.“ 

Das Forschungszentrum Pro²Future mit Sitz in Linz und Graz bringt KI in die industrielle Fertigung, man kooperiert mit mehr als 40 Industriepartnern und 30 wissenschaftlichen Einrichtungen und Instituten in Forschungsprojekten. Das COMET Forschungszentrum ist Schnittstelle zwischen Unternehmen und Wissenschaft und setzt damit direkt beim genannten Problem an. „Unsere Forschungsfragen sind von der Industrie inspiriert, Zielsetzung ist es, ein verwertbares Ergebnis zu erarbeiten“, erklärt Belgin Mutlu, Area Managerin im Bereich „Cognitive Decision Making“ bei Pro²Future. Unterstützung bei der Grundlagenforschung gibt es von Universitäten. 

Wie funktioniert die Herangehensweise von Pro²Future? Haslgrübler: „Wir definieren gemeinsam mit Unternehmen eine Frage, mit der Zeit kommen weitere dazu, bis am Ende ein Prototyp entsteht, der auf Produktlevel gebracht wird und in der Infrastruktur des Betriebs zum Einsatz kommt.“ Dabei handelt es sich um mehrjährige Projekte. Wichtig sei eine realistische Erwartungshaltung. „Natürlich wissen europäische Unternehmen, dass man nicht gleich am nächsten Tag ein Produkt am Markt hat, wenn man mit der Forschung interagiert“, sagt Haslgrübler. Nachsatz: „Leider glauben manche, dass es am übernächsten Tag so weit ist.“ So funktioniere Forschung aber nicht – zumindest nicht bei Mitteln, die meist stark begrenzt sind. „Mache hoffen, dass sie mit einer Person, die sich vielleicht nur Teilzeit mit KI beschäftigt, Wunderwuzzi-artige Ergebnisse erzielen können.“ Um neue KI-Technologie möglichst schnell im eigenen Unternehmen zu integrieren, brauche es nicht nur Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. „Es müssen auch unterschiedliche Disziplinen – von Softwareentwickler:innen über Mathematiker:innen bis hin zu Psycholog:innen vertreten sein“, sagt Mutlu. 

DIE MACHER – Das europäische KI Paradox